Gefahren von Fruktose. Teil 1

Dank meiner örtlichen Bibliothek konnte ich das Buch The Sugar Fix vom US-Arzt und Professor Richard J. Johnson in meine wissbegierigen Händen bekommen. Ich wollte mich genauer über Fruktose informieren, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob ein hoher Konsum von Früchten ungesund sein könnte.

Das Buch liefert einige sehr spannende Erkenntnisse über die Wirkungen von Zucker auf unserem Körper.1 Der Autor konzentriert sich auf Fruktose, weil Fruktose vom Körper anders als andere Zuckerarten metabolisiert wird. Zahlreiche Studien werden aufgeführt, die den Zusammenhang zwischen einem hohen Konsum von Fruktose und einer Vielzahl von Erkrankungen belegen. Der Autor konzentriert sich zwar auf Fruktose in Form von Maissirup, welcher oft auch als Fructose-Glucose-Sirup (englisch: High Fructose Corn Syrup – HFCS) gekennzeichnet ist, seine Erkenntnisse sind aber auf andere Fruktose-Quellen wie der normale Haushaltszucker übertragbar.

Fruktose – nicht nur in Früchten

Fruktose ist ein Zucker und damit ein Kohlenhydrat. Wie der Volksmund erkennt, ist Fruktose der Hauptzucker in Früchten, daher der umgangssprachliche Name Fruchtzucker. Andere bekannte Zuckerarten sind Glucose (Traubenzucker), Sucrose (der gemeine Haushaltszucker, der jeweils zur Hälfte aus Fruktose und Glucose besteht) und Laktose (Milchzucker). Fructose-Glucose-Sirup besteht in der Regel aus 42% bis 55% Fruktose. Ist der Anteil von Fruktose geringer als 50% ist die Kennzeichnung Glucose-Fructose-Sirup (jedenfalls in Deutschland).

In Deutschland wurden 2007/2008 knapp 34,3kg Zucker pro Kopf verbraucht. Etwas über 80% davon werden in Form von Verarbeitungserzeugnissen wie Erfrischungsgetränken, Süßwaren und Backwaren verzehrt.2 In den USA lag 2008 der Pro-Kopf-Verbrauch von Fruktose, also von nur einer Zuckerart, bei unglaublichen 30kg.3 Meines Erachtens ist das eine der Ursachen für die Fett-Epidemie in den USA.4

Dass in den USA so viel Fruchtzucker verbraucht wird wie in Deutschland Zucker allgemein, liegt nicht nur am süßeren Zahn der Amis sondern auch an einer Verbindung aus politischen Entscheidungen und wirtschaftlichen Interessen. Zum einen subventioniert die USA den Anbau von Mais: 2008 wurden knapp 330 Millionen Tonnen Mais geerntet.5 Die gemeinsame Ernte von Zuckerrüben und Zuckerrohr lag zum Vergleich bei knapp 50 Millionen Tonnen.6 Zum anderen unterliegt die Einfuhr von Zucker in die USA Mengenbeschränkungen.

Unternehmen handeln wirtschaftlich. Weil Maissirup günstiger als Haushaltszucker7 ist, wird er bevorzugt als Süßmittel verwendet. In der Tat haben sowohl Coca-Cola als auch Pepsi im November 1984, zwei Jahre nach Beginn der US-Einfuhrbeschränkungen für Zucker, am gleichen Tag bekannt gegeben, dass sie zukünftig Maissirup anstatt Haushaltszucker für ihre Getränke verwenden würden.8

Diese Maßnahme senkte die Herstellungskosten der Getränke. Die Ersparnisse wurden zwar dem Verbraucher weitergegeben. Aber anstatt den Verkaufspreis zu senken, entschied man sich, dem Verbraucher mehr Produkt zu geben. Während 1950 die normale Coke-Flasche 190ml hatte, liegt sie heute bei 590ml.9 Die Folge: Jeder Dritte Erwachsene in den USA bezieht mindestens 25% seiner täglichen Kalorien durch Getränke.10

Fruktose findet sich jedoch nicht nur in süßen Sprudeln und Fruchtsäften. Fruktose macht Essen schmackhafter und es unterdrückt das Sättigungsgefühl. Diese Eigenschaften, gekoppelt mit der guten Verarbeitbarkeit von Fructose-Glukose-Sirup und seinen geringen Kosten, haben dazu geführt, dass in den USA solch unterschiedliche Lebensmittel wie Babynahrung, Bier, Brot, Chips, Dörrfleisch, Dosenfrüchte und Dosengemüse, Frühstücksspeck, Kekse, Pommes, Schinken, Streichkäse, Tiernahrung, Tomatensoßen, Wein, Wurstwaren und vieles mehr Maissirup enthalten.11 Irre. In Europa ist es zum Glück nicht so schlimm. Die Zuckerindustrie würde es wohl nicht so weit kommen lassen. Zudem werden Nahrungsmittel nicht im gleichen Maße versüßt wie in den USA.

HFCS vs Sucrose. Hier mag der geneigte Leser anmerken, dass es keine Rolle spielen sollte, ob Maissirup oder Haushaltszucker verwendet wird. Der Anteil an Fruktose in beiden Zuckern ist schließlich mehr oder weniger gleich. Ein Unterschied zwischen den Zuckern ist jedoch die chemische Struktur. In Maissirup liegen Fruktose und Glucose als Einfachzucker, in Haushaltszucker als Zweifachzucker vor. Die Frage ist, ob sich dieser Unterschied auswirkt.

In The Sugar Fix wird angedeutet, dass das Problem an HFCS im Vergleich zu Sucrose seine gesteigerte Verwendung und seine vielfältige Verarbeitung in Lebensmittel verschiedenster Art ist. Das Problem liege nicht an der unterschiedlichen chemischen Struktur der Zucker.12 Professor Robert Lustig bezeichnet Haushaltszucker und HFCS als „gleich problematisch“.13 In einem Vortrag sagt er, dass der Unterschied zwischen HFCS und Haushaltszucker irrelevant sei, weil die chemische Verbindung zwischen Fruktose und Glukose in Haushaltszucker „in 2 Sekunden“ durch das Enzym Saccharase gelöst wird. Beide Zucker seien gleich schädlich.14  Zwei Studien aus den Jahren 200715 und 200816 konnten keine Unterschiede zwischen den kurzfristigen physiologischen Wirkungen von HFCS und Sucrose feststellen. Michael Pollan, jedoch, vertritt in seinem Buch Lebens-Mittel: Eine Verteidigung gegen die industrielle Nahrung und den Diätenwahn die Ansicht, dass die Verdauung von Sucrose als Zweifachzucker langsamer oder gar weniger komplett verläuft als die Verdauung von Einfachzuckern in HFCS.17 Dass die Geschwindigkeit der Verdauung bzw. der Aufnahme eine Rolle spielt, wird in The Sugar Fix auf Seite 137 bestätigt. Ein schneller Konsum von HFCS veranlasst nämlich die Produktion von Harnsäure. Mehr dazu in Teil 2 der Serie.

Wieso wir auf Süßes stehen

Zucker macht abhängig, sogar stärker als Kokain.18

Honig zu ernten war nicht so einfach.

Unser Verlangen nach Süßem stammt aus der Steinzeit, als Zucker selten war. Und Früchte sind nicht zufällig süß und lecker. Wer den Kot von Füchsen im Sommer angeschaut hat, wird wissen, dass Beeren durch Tiere eine weite Verbreitung erfahren. Früchte wollen gegessen und verbreitet werden. Von daher ist es kein Wunder, dass Fruchtzucker das Sättigungsgefühl unterdrückt, sodass man mehr isst. Gleichzeitig fördert Fruktose das Ansetzen von Fettpolstern. In Zeiten, in denen Nahrungsquellen nicht gesichert waren, eine gute Sache. Ein Appetit auf Süßes hatte also Vorteile – sowohl für die Pflanze als auch für den Menschen.

Früchte und Honig waren allerdings nur saisonal zu finden und dann auch nicht im Überfluss wie heute. Früchte wurden noch nicht über Generationen hinweg auf Süße selektiert, waren also weit weniger süß als sie es heute sind. Honig zu ernten war ein gefährliches und sicherlich kein tägliches Unterfangen.

Es wird vermutet, dass unsere Vorfahren einen Tageskonsum von lediglich 16-20g Fruktose hatten, zumeist in Form frischer Früchte. Heute liegt der Fruktosekonsum im Westen bei täglich 85-100g.19 Möchte man knapp unter 20g Fruktose bleiben, müsste man nach einer mittelgroßen Banane mit ca. 7g, einem Apfel mit ca. 9g und einer 240ml Tasse Brombeeren (wie alle Beeren recht fruktosearm) mit um die 3.5g Fruchtzucker, sehr darauf achten, was man noch zu sich nimmt.20 Ein Gläschen Cola wäre nicht mehr drin.

Ich werde in Teil 2 dieser Serie genauer auf die Wirkungen von Fruktose auf den Körper eingehen. Weil wir aber heute noch nicht die gesundheitlichen Wirkungen von Fruktose angesprochen haben, schließe ich diesen Beitrag mit einer Übersicht dazu ab.

Fruktose und Dickleibigkeit

Für Übergewichtige spielt Fruktose eine besondere Rolle:

  • Im Vergleich zu anderen Zuckern führt eine fruktosereiche Ernährung bei gleichem Kalorienkonsum zu einer schnelleren und größeren Gewichtszunahme.
  • Fruktosereiche Lebensmittel sättigen nur schwer.
  • Ein langfristig hoher Konsum von Fruktose stört das Sättigungsgefühl für alle Lebensmittel, also nicht nur für die fruktosebeinhaltenden Lebensmittel, die gerade gegessen werden.

Fruktose und Erkrankungen

Hat man zu viele Pfunde, führt das von sich aus zu weiteren gesundheitlichen Problemen wie Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes, Nierenerkrankungen und vieles mehr. Ein hoher Konsum von Fruktose kann jedoch zu ähnlichen Komplikationen führen, unabhängig davon, ob man übergewichtig ist oder nicht.

Unter anderem ist ein hoher Konsum von Fruktose impliziert bei

  • Bluthochdruck,
  • Typ-2-Diabetes,
  • Nierenleiden,
  • Lebererkrankungen,
  • dem sog. metabolischen Syndrom, auch als Syndrom X oder das tödliche Quartett bekannt.

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  1. Das Buch behandelt die Frage von Fruktose auch im Hinblick einer Diät zum Abnehmen. Im Grunde soll man Zucker aus seiner Ernährung streichen. Während das meines Erachtens bei vielen Personen tatsächlich zu einer Gewichtsabnahme führen wird, ist es nicht die endgültige Antwort. Und hier versagt das Buch in meinen Augen. Das Buch hätte lieber bei der Wissenschaft zu Fruktose bleiben sollen, anstatt zu versuchen, eine Anleitung zum Abnehmen anzubieten. Dann hätte es sich aber sicherlich nicht so gut verkauft.
  2. Siehe Zahlen zum Zucker bei Südzucker.de.
  3. Siehe Johnson, Richard: The Sugar Fix (2008), Seite 20. ISBN-13: 978-1-5948-6665-1. Zu bedenken ist hierbei, dass Haushaltszucker aus Fruktose und Glucose besteht. Schuld an diesem hohen Wert ist also nicht ausschließlich HFCS.
  4. Man könnte auch von einer Maissirup-Epidemie sprechen: 2004 lag der Gesamtverbrauch von Zucker in den USA bei 39kg, knapp die Hälfte davon war von Maissirup. 1970 lag der Gesamtverbrauch bei 33kg, wovon nur 0.18kg Maissirup waren! Siehe dazu The Sugar Fix, Seite 23.
  5. Siehe Wikipedia on Maize.
  6. Siehe Wikipedia on Sugarcane; Wikipedia on Sugarbeet.
  7. Damit meine ich Rohr- und Rübenzucker.
  8. Siehe The Sugar Fix, Seite 20.
  9. Siehe The Sugar Fix, Seite 24.
  10. Siehe The Sugar Fix, Seite 26.
  11. Siehe Corn Refiners Association: Nutritive Sweeteners from Corn (2006).
  12. Siehe The Sugar Fix, Seite 22 f.
  13. Siehe Lustig, Robert: The Obesity Epidemic (Radio-Interview von 2007).
  14. Siehe Lustig, Robert: Sugar: The Bitter Truth, um Minute 18:20. (Teil der UCTV-Serie: UCSF Mini Medical School for the Public. Ausstrahlung 7/2009. ID: 16717).
  15. Melanson KJ, Zukley L, Lowndes J, Nguyen V, Angelopoulos TJ, Rippe JM: Effects of high-fructose corn syrup and sucrose consumption on circulating glucose, insulin, leptin, and ghrelin and on appetite in normal-weight women. Nutrition. 2007 Feb;23(2):103-12.
  16. Stanhope KL, Griffen SC, Bair BR, Swarbrick MM, Keim NL, Havel PJ: Twenty-four-hour endocrine and metabolic profiles following consumption of high-fructose corn syrup-, sucrose-, fructose-, and glucose-sweetened beverages with meals. Am J Clin Nutr. 2008 May;87(5):1194-203.
  17. Das Buch habe ich noch nicht gelesen. Info von der Webseite Wandering Scientist.
  18. Jedenfalls bei Ratten. Siehe Lenoir M, Serre F, Cantin L, Ahmed SH: Intense Sweetness Surpasses Cocaine Reward (2007). PLoS ONE 2(8):e698. doi:10.1371/journal.pone.0000698.
  19. Siehe Basciano H, Federico L, Adeli K: Fructose, insulin resistance, and metabolic dyslipidemia (2005). Nutrition & Metabolism 2:5. doi:10.1186/1743-7075-2-5.
  20. Werte gemäß The Sugar Fix, Seite 278 f.

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