Die Sauna – oder wie ich lernte, das Kaltduschen zu lieben
Vor einigen Jahren (so lange liegt dieser Bericht als „Entwurf“ vor) haben mich Freunde mit in die Berge genommen, zum Skifahren. Wir verbrachten die Zeit in einer wunderschönen Holzhütte mit eigener Sauna. Die Sauna war direkt an das Haus angeschlossen, hatte aber auch eine eigene Tür in den Garten. Ich habe mich schon oft sauniert und finde die Hitze wunderbar. Neu war allerdings für mich, aus der Sauna in den Schnee zu springen und mich dort zu wälzen. Ich wusste, dass manche das machen, aber die Vorstellung fand ich nie besonders verlockend. Ich bin (bzw. war) nicht der größte Freund von kaltem Wasser. Dennoch habe ich mitgemacht, zumal das Wechselduschen ja recht gesund sein soll. Ich bin auch jemand, der alles (solange es nicht schädlich ist) zumindest mal probiert haben möchte.
Zu meiner Überraschung war es überhaupt nicht unangenehm, sich in den Schnee zu rollen! Mein Körper war so hoch erhitzt, dass sich die Kälte nicht so kalt angefühlt hat. Als ich wieder in die Sauna ging, zusammen mit etwas Laub, das an meiner Haut klebte, merkte ich ein angenehmes Kitzeln dort, wo ich am längsten mit dem Schnee gekuschelt habe.
In der Sauna hat jemand erzählt, dass er sich für 30 Tage die Herausforderung gesetzt hatte, 5 Minuten lang kalt zu duschen – nach 1 oder 2 Minuten gewöhnt sich der Körper daran und es fühlt sich nicht mehr so furchtbar kalt an. Er meinte, dass das Duschen ihn enorme Überwindung gekostet hat. Auch am dreißigsten Tag war es nicht einfacher als am ersten Tag.
Auf meine Frage, ob er irgendwelche positiven Auswirkungen bemerkt hat, sagte er, dass das morgendliche Kaltduschen eine hervorragende Vorbereitung auf den Tag war. Zum einen war er danach immer hellwach. Zum anderen meinte er, dass er direkt nach dem Duschen immer die Dinge angepackt hat, die er sonst lieber aufgeschoben hätte. Allgemein waren die Hürden und Schwierigkeiten des Tages für ihn einfacher anzugehen. Dennoch hat er seine Routine nach 30 Tage beendet. Die tägliche Überwindung war doch zu hart.
Meine Erfahrung mit der Kälte
Zurück aus dem Kurzurlaub hatte ich auch angefangen, mich täglich kalt zu duschen. Ich hatte mich allerdings von der Sauna inspirieren lassen. Zuerst richtig heiß duschen und erst dann kalt.
Ich musste zwar immer tief atmen und mein Herz fing an zu klopfen, aber es die Kälte war nicht so unangenehm. Dennoch kostete es eine gewisse Überwindung und irgendwann habe ich aufgehört, vermutlich hat sich meine Routine geändert und das Ganze gerate in Vergessenheit.
Einige Jahre später habe ich wieder damit angefangen, inspiriert zum einen durch meinen Vater, der täglich so 8-12 Minuten kalt duscht, aber zum anderen durch ein sehr interessantes Interview mit Dr. Susanna Søberg beim hervorragenden Huberman Lab über die zahlreichen gesundheitlichen Vorteile von Hitze- und Kälte: Dr. Susanna Søberg: How to Use Cold & Heat Exposure to Improve Your Health. Huberman hat auch weitere Informationen (Artikel, Videos, Podcasts) zum Thema „Hitze und Kälte“).
Die Vorteile der Kälte
Die bewusste Kälteaussetzung hat zahlreiche positive Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit.
- Erhöhte Ausschüttung von Testosteron, Dopamin (gute Laune – nach einer kalten Dusche kann man unmöglich schlecht gelaunt sein), Epinephrin (Adrenalin), β-Endorphine (ein körpereigenes Opioid), Succinat (wichtig für verschiedene metabolische Prozesse, u.a. die Produktion von ATP, der Hauptenergiequelle der Zellen), Irisin (wandelt weißes Fett in braunes Fett* um und hat unter Umstände auch andere metabolische Auswirkungen) Erhöhte Fettverbrennung, weil braunes Fett erzeugt und gespeichert wird.
- Verbesserte Stresstoleranz durch eine Anpassung an dem mit der Kälteaussetzung verbundenden Kortisolausstoßes.
- Weniger Inflammation, nachweisbar durch gesunkene Entzündungsmarker im Blut.
Studien zu den genannten Punkten sind in dieser Fußnote1.
Braunes Fett – gänzlich anders als sein weißer Cousin
Braunes Fett, auch als braunes Fettgewebe (Englisch: brown adipose tissue – BAT) bekannt, ist eine Art von Fettgewebe im Körper. Im Gegensatz zu weißem Fett, das hauptsächlich Energie in Form von Triglyceriden speichert, erzeugt braunes Fett Wärme, ist also thermoregulierend.
Braunes Fett enthält eine hohe Anzahl von Mitochondrien, den zellulären Organellen, die für die Energieproduktion verantwortlich sind. Diese Mitochondrien enthalten ein Protein namens Thermogenin oder Uncoupling Protein 1 (UCP1). Wenn es aktiviert wird, ermöglicht UCP1, dass Protonen über die Mitochondrienmembran hinweglecken, indem es die Produktion von ATP (zelluläre Energie) von der Elektronentransportkette entkoppelt. Dieser Entkopplungsprozess erzeugt Wärme anstelle von ATP.
Braunes Fett spielt eine entscheidende Rolle in der Thermoregulation und hilft dabei, die Körpertemperatur zu halten, indem es Wärme erzeugt, wenn der Körper kalten Temperaturen ausgesetzt ist. Diese Wärmeerzeugung ist entscheidend, um den Körper in kalten Umgebungen warm zu halten.
Braunes Fett verbrennt Kalorien, um Wärme zu erzeugen. Daher ist es ein metabolisch aktives Gewebe, das zur gesamten Energiebilanz beitragen kann.
Braunes Fett ist vornehmlich um das Herz, die Schlüsselbeine und entlang der Wirbelsäule zu finden. Es lagert sich also anders ab als weißes Fett. „Fett“ wird man durch braunes Fett nicht – im Gegenteil!
Braunes Fett kann durch Kälte aber auch durch Sport aktiviert werden. Die bewusste Aussetzung an Kälte ist allerdings eine hocheffiziente Methode, um braunes Fett zu erzeugen. Es muss nicht immer kaltes Wasser sein – kalte Luft wirkt auch, wenn auch nicht ganz so schnell.
Nachteile der Kälteaussetzung
Leider zeigen viele Studien, dass die Kälte unmittelbar nach dem Training Muskelwachstum und ggf. auch sonstige Anpassungen verlangsamen kann.2 Daher wird empfohlen, dass man entweder vor dem Training sich der Kälte aussetzt oder schlicht an einem trainingsfreien Tag. Andererseits gibt es Hinweise darauf, dass Kälte die Erholung vom Training begünstigt.3
Meine Beobachtungen
- Es ist auf jeden Fall einfacher zunächst heiß und dann kalt zu duschen als nur warm und dann kalt zu duschen.
- So ca. bei der 2 Minuten wird es wirklich einfacher.
- Man wird niemals schlecht gelaunt aus der Dusche kommen. Dafür werden zu viel Dopamin und andere Katecholamine (d.h. Neutotransmitter und Hormone) freigesetzt.
- Mir hilft es, eine Stoppuhr zu verwenden: Fakten, Fakten, Fakten. 30 Sekunden wirken ansonsten vielleicht wie 60.
- Ich mag es, mich unter der Dusche zu bewegen. Die Kälte am Kopf ist anders als die Kälte am Nacken ist anders als die Kälte an der Brust.
- Umso öfter man sich kalt duscht, desto weniger unangenehm ist das tatsächliche Duschen. Der Beginn wird nicht unbedingt einfacher sofern man seine Denkweise nicht dahingehend ändert, dass man die Herausforderung begrüßt und sich auf die Vorteile der Kälte freut.
- Nach einigen Tagen oder Wochen wird man viel kälteresistenter, weil man mehr braunes Fett hat. Meine Partnerin hat schon öfter nachgefragt, ob mir denn nicht kalt sei, seitdem ich mich regelmäßig bewusst der Kälte aussetze.
Von der psychologischen Seite her glaube ich, dass die Stoiker in der Empfehlung richtig liegen, sich regelmäßig widrigen Umständen auszusetzen. Dadurch härtet man sich ab gegenüber den Widrigkeiten des Lebens. Zudem lernt man das zu schätzen, was man hat.
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- Diese Liste von Studien ist von der Huberman Lab-Seite kopiert:
– Altered brown fat thermoregulation and enhanced cold-induced thermogenesis in young, healthy, winter-swimming men (Cell Reports Medicine)
– Human physiological responses to immersion into water of different temperatures (European Journal of Applied Physiology)
– Variations in leptin and insulin levels within one swimming season in non-obese female cold water swimmers (Scandinavian Journal of Clinical and Laboratory Investigation)
– Mapping of human brown adipose tissue in lean and obese young men (Proceedings of the National Academy of Sciences)
– A role for brown adipose tissue in diet-induced thermogenesis (Nature)
– Association Between Sauna Bathing and Fatal Cardiovascular and All-Cause Mortality Events (JAMA Internal Medicine)
– Impact of cold exposure on life satisfaction and physical composition of soldiers (BMJ Military Health)
– Thermal effects of whole head submersion in cold water on nonshivering humans (Journal of Applied Physiology)
– Thermoregulation during rest and exercise in the cold in pre- and early pubescent boys and in young men (Journal of Applied Physiology) ↩︎ - – Post-exercise cold water immersion attenuates acute anabolic signalling and long-term adaptations in muscle to strength training (The Journal of physiology)
– Cold water immersion attenuates anabolic signaling and skeletal muscle fiber hypertrophy, but not strength gain, following whole-body resistance training (Journal of applied physiology)
– The Effects of Cold Water Immersion and Active Recovery on Molecular Factors That Regulate Growth and Remodeling of Skeletal Muscle After Resistance Exercise (Frontiers in physiology)
– Postexercise cooling impairs muscle protein synthesis rates in recreational athletes (The Journal of physiology)
– The Effects of Regular Cold-Water Immersion Use on Training-Induced Changes in Strength and Endurance Performance: A Systematic Review with Meta-Analysis (Sports medicine (Auckland, N.Z.)) ↩︎ - – Effects of cold water immersion after exercise on fatigue recovery and exercise performance–meta analysis (Frontiers in physiology)
Siehe aber:
– Is the ice bath finally melting? Cold water immersion is no greater than active recovery upon local and systemic inflammatory cellular stress in humans (The Journal of physiology)
– Cold-Water Immersion for Athletic Recovery: One Size Does Not Fit All (International journal of sports physiology and performance) ↩︎
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