Fehlbiss: Zivilisationskrankheit. Teil 6

Der Neurobiologe Stephan Guyenet, Ph.D. von der englisch-sprachigen Webseite Whole Health Source hat eine exzellente Serie zum Thema Fehlbiss und Ernährung geschrieben. Die Serie umfasst neun Artikel; dieser Beitrag ist die Zusammenfassung/Übersetzung des sechsten Artikels der Serie. Die Zusammenfassung von Teil 1 findest Du hier; Teil 2 hier, Teil 3 hier, Teil 4 hier und Teil 5 hier.

Teil 6 der Serie betrifft die frühe nachgeburtliche Entwicklung des Gesichtes und des Kiefers und äußerliche Einflussfaktoren darauf.

Die größte nachgeburtliche Entwicklung des Gesichtes und des Kiefers findet von der Geburt bis zum vierten Lebensjahr statt. Die Mehrheit der Malokklusionen haben sich bis zum Ende dieser Phase schon entwickelt.1

Äußerliche Einflussfaktoren auf die frühe nachgeburtliche Entwicklung des Gesichtes und des Kiefers

Eine 1987 veröffentliche Studie mit fast 10.000 Kindern deutet darauf hin, dass eine längere Stilldauer mit einem geringeren Malokklusionsvorkommen in Zusammenhang steht.2

So hat man festgestellt, dass Kinder, die nur drei Monate lang gestillt wurden, zwei Mal so häufig einen fehlerhaften Zahnreihenschluss aufwiesen wie Kinder, die länger als zwölf Monate gestillt wurden. Nur 2% der Mütter haben länger als zwölf Monate gestillt. Bei Jägern und Sammlern und nicht-industrialisierten Völkern wird in der Regel zwischen zwei und vier Jahren gestillt, wobei mit zunehmendem Alter immer mehr festes Essen gegeben wird.

Auch andere Studien (aber nicht alle) deuten darauf hin, dass Kinder, die gestillt werden, ein geringeres Risiko haben, einen fehlerhaften Zahnreihenschluss zu entwickeln.3

Auf der anderen Seite haben alle Studien einen Zusammenhang zwischen „nicht-ernährendem Lutschen“ wie Daumenlutschen oder Schnullerlutschen und Malokklusion aufgezeigt. Umso länger Daumen oder Schnuller gelutscht werden, desto höher das Vorkommen an Malokklusion:

Die Daten entstammen einer Studie mit knapp 700 Kindern.4 Der Zusammenhang beginnt sich aber einer Lutschdauer von zwei Jahren abzuzeichnen. Andere Studien kommen zu ähnlichen Erkenntnissen.5

Im Vergleich zum Bruststillen führt auch das Füttern mit einer Flasche zu einem höheren Risiko eines fehlerhaften Zahnreihenschlusses.6 Jäger und Sammler geben die Brust auf Verlangen, d.h. von kurzer Dauer aber regelmäßig.7 Die Häufigkeit des Stillens verhindert womöglich, dass Kinder sich ein nicht-ernährendes Lutschen aneignen.

Wie der Zahnreihenschluss beeinflusst wird

Die physikalischen Einwirkungen auf den Kiefer beeinflussen dessen Entwicklung. Genauso wie Füße bei zu kleinen oder schlecht geformten Schuhen mit der Zeit verkrüppelt werden, verformt ein regelmäßiges Lutschen eines Schnullers oder eines Daumens die Zähne und den Kiefer. Bruststillen, Kauen und Schlucken stärken jedoch die Kiefermuskulatur und helfen dabei, dass sich der Kiefer normal ausbildet.8

Wie wir präventiv tätig werden können

Im Idealfall würden wir unsere Kinder zwei bis vier Jahre stillen. Das ist jedoch in der heutigen Zeit nicht immer möglich. Eine gute Alternative zum Flaschenfüttern ist das Füttern mit einer Tasse, welches ein natürlicheres Schlucken ermöglicht und gemäß der einzigen Studie dazu, die Stephan finden konnte, mit einem geringeren Vorkommen an Malokklusion im Vergleich zum Flaschenfüttern verbunden ist.9

Möchte man Schnuller verwenden, sollte man auf spezielle wie die Dentistar-Schnuller zurückgreifen. Diese erlauben der Zunge sich normal zu bewegen. Die Schnuller üben auch weniger Druck auf die Schneidezähne aus. Gemäß einer vom Hersteller unterstützten Studie der Heinreich-Heine-Universität in Düsseldorf ist die Malokklusionsrate beim Gebrauch eines solchen Spezialschnullers weit geringer als beim Gebrauch eines herkömmlichen Schnullers.10

Anmerken möchte ich noch, dass die Nährstoffe in der Muttermilch sicherlich auch eine wichtige Rolle für die korrekte Entwicklung spielen. In der Hinsicht möchte ich nochmals auf die anderen Teile der Serie hinweisen.

Wo haben wir das her?

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  1. Follow-up study of functional and morphological malocclusion trait changes from 3 to 12 years of age (kostenlos online erhältlich): Eur J Orthod. 2007 Oct;29(5):523-9.
  2. Does Breast-feeding Protect Against Malocclusion? An Analysis of the 1981 Child Health Supplement to the National Health Interview Survey: American Journal of Preventive Medicine 1987;3(4): 227-232.
  3. Effects of breastfeeding and sucking habits on malocclusion in a birth cohort study (kostenlos online erhältlich): Rev Saude Publica. 2007 Jun;41(3):343-50. Associations between a history of breast feeding, malocclusion and parafunctional habits in Puerto Rican children: P R Health Sci J. 2006 Mar;25(1):31-4. Duration of nutritive and nonnutritive sucking behaviors and their effects on the dental arches in the primary dentition: Am J Orthod Dentofacial Orthop. 2002 Apr;121(4):347-56.
  4. Effects of oral habits‘ duration on dental characteristics in the primary dentition (kostenlos online erhältlich): J Am Dent Assoc. 2001 Dec;132(12):1685-93; quiz 1726.
  5. Changes in the prevalence of nonnutritive sucking patterns in the first 8 years of life: Am J Orthod Dentofacial Orthop. 2006 Jul;130(1):31-6. Effects of nonnutritive sucking habits on occlusal characteristics in the mixed dentition: Pediatr Dent. 2005 Nov-Dec;27(6):445-50. Effects of pacifiers on early oral development: Int J Orthod Milwaukee. 2006 Winter;17(4):13-6.
  6. Breast feeding, bottle feeding, and non-nutritive sucking; effects on occlusion in deciduous dentition (kostenlos online erhältlich): Arch Dis Child. 2004 Dec;89(12):1121-3. Consequences of bottle-feeding to the oral facial development of initially breastfed children (kostenlos online erhältlich): J Pediatr (Rio J). 2006 Sep-Oct;82(5):395-7. Epub 2006 Sep 21.
  7. Nursing frequency, gonadal function, and birth spacing among !Kung hunter-gatherers: Science. 1980 Feb 15;207(4432):788-91.
  8. The influence of breastfeeding on the development of the oral cavity: a commentary: J Hum Lact. 1998 Jun;14(2):93-8.
  9. Consequences of bottle-feeding to the oral facial development of initially breastfed children (kostenlos online erhältlich): J Pediatr (Rio J). 2006 Sep-Oct;82(5):395-7. Epub 2006 Sep 21.
  10. Efficacy of a Novel Pacifier in the Prevention of Malocclusion: Heinrich-Heine-University of Düsseldorf, Germany.

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